Was ist wesentlich?

… an Tagen, an denen alles wie Sand zwischen den Fingern verrinnt.
… wenn die Trauer alles verrückt, was fest schien.
In der Stille wächst die Sehnsucht nach dem Wesentlichen. (Helge Burggrabe)
In der Stille. Auch in der “Totenstille”. Sie ist nicht tot.

Beheimatung

Auch im satten Grün dieser Frühlingstage blüht die Erkenntnis, dass es im Leben immer wieder um Abschied und Neubeginn geht, um das mutige Überschreiten von Schwellen hinein in neue Räume.

Diese Wanderung wird begleitet von der Sehnsucht, dass es eine Beheimatung gibt, die bedingungslos ist und unabhängig von (äußeren) Räumen.

Ich möchte Gast sein in deinem Zelt für immer,
möchte mich bergen im Schutz deiner Flügel. (Psalm 61,5)

Zauber

“Möchtest du manchmal zaubern können?” - las ich kürzlich auf einer Karte, die am Eingang eines grösseren Kaufhauses auflag. Das weckte meine Neugier. Ja, ich möchte manchmal zaubern können. Überraschende Einladung: “Der Zauber wirkt durch dich und mich.”

Manchmal kommt mir dieser Satz nun in den Sinn - und bewirkt etwas - wie das flüchtige Streifen eines Engelflügels - immerhin …

Der Zauber wirkt
durch dich
und mich.

Nicht über den Tod hinaus

Wir müssen nicht über den eigenen Tod hinaus alles regeln wollen. Wir müssen nicht über Dinge sprechen, über die wir nicht sprechen möchten. Das ist in Ordnung.
Es wird die Herausforderung der Zurückbleibenden sein, mit unserem Tod zu leben.
Aber das, was uns wichtig ist, das sollten wir unseren Nächsten sagen. Nur das. Das aber schon.

Und wenn wir unseren Nächsten etwas Gutes tun wollen über unseren Tod hinaus, dann regeln wir das Erbe rechtzeitig und gerecht; führen wir eine einigermassen aktuelle Adressliste, eine Liste mit den Passwörtern und eine mit allfälligen Mitgliedschaften. Das ist alles.

Einladung

Nach draussen gehen, auch wenns stürmt. Den Wind spüren. Den Bäumen zusehen, den Wolken und wirbelnden Blättern. Mich einladen lassen und von ihnen lernen: das Einwilligen und Loslassen.

Hochzeitstag

Eine Mail-Nachricht von H.B. nach dem Trauercafé, ein Auszug aus einem Brief an seine verstorbene Frau E., nachts geschrieben. Berührend ...

"Unser Hochzeitstag, erst der neunte und schon der dritte allein. Proseccofrühstück mit Lachs. Und Kerze. Am Nachmittag Trauerkaffee. Habe Prosecco, Gläser und eine kleine Bündner Nusstorte mitgebracht. U., K. und ich haben auf unseren Hochzeitstag angestossen. Schön, traurig, tröstlich. Eine tiefe Verbindung zu dir spürte ich. Und das, obwohl ich V. liebe und in Beziehung zu ihr getreten bin. Sie verdrängt dich nicht. Du wirfst keinen Schatten auf sie. Und die Trauer wird nicht ins Exil geschickt oder abgewürgt. Du begleitest mich, uns. Du bist wie das Grundwasser, das tief unten strömt. Und darüber gurgelt, plätschert und brandet das Leben, die neue Liebe. Du bist wie der Grundton, der Bordun, der tief brummt und darüber trällert, jauchzt und erschallt das Leben, die neue Liebe. Beides hat Platz, hat seinen Platz in meinem Leben. Dafür bin ich dankbar, froh. Und dann taucht Trauer auf über den Verlust, dein Nichtdasein – für immer. Sie deckt das Leben nicht zu. Es scheint durch, sein Puls gibt den Takt."

Zeit

... und plötzlich fällt alles weg. Es gibt nichts Wichtigers mehr, als diesen Abschied, diese plötzliche Veränderung. Auch wenn schmerzhaft, zieht es uns ins Leben, in den jetztigen Augenblick - unausweichlich. Und es ist gut, es macht diesen Augenblick wertvoll, es macht die Erinnerung, die Vergebung, den Abschied, das Trauern und diejenigen, die bleiben ... wichtig. 

Im Moment des Abschieds kann ich alles loslassen, nichts eilt mehr ... und ich stelle mich diesem Augenblick, voller Vertrauen und Liebe, denn es ist mir jetzt wichtig.

Stille

In der Stille finde ich mich selber, begegne meinen Erinnerungen, kann beobachten ohne zu werten, verweilen, annehmen und vergeben. Ein Abschied hinterlässt Spuren, Leere und Trauer. All dem begegne ich in meiner inneren Stille, beobachte - wertelos. Eine unbestimmte Weile später, verblasst vieles, angenommen, abgeschlossen und geht über in einen Frieden. Die Erinnerungen bleiben, getragen durch meine Liebe und mein Verstehen. 

Ich habe Abschied genommen ...